Perspektiv­konzept Untere Erft

26. August 2021 | Renaturierung

Perspektivkonzept Erft

Seit den 1950er-Jahren sind die Abflussverhältnisse an der unteren Erft durch die Sümpfungsmaßnahmen für den Braunkohlentagebau massiv überprägt. Zur Ableitung der Sümpfungswässer (bis zu 20 m³/s im Jahresmittel bei einem natürlichen Abfluss von rund 4 bis 4,5 m³/s im Mittel) und zur Sicherstellung eines adäquaten Hochwasserschutzes wurde die bereits im 19. Jahrhundert begradigte untere Erft Mitte des letzten Jahrhunderts erneut technisch stark ausgebaut.

Ökologische und naturschutzfachliche Fragestellungen blieben bei dem auf Funktionalität ausgerichteten Ausbau unberücksichtigt. Heute stammen mit 6 bis 7 m³/s rund ¾ des mittleren Abflusses der unteren Erft aus den Sümpfungswassereinleitungen des Tagebaus Hambach. Das 2005 vom Umweltministerium NRW und dem Erftverband aufgestellte Perspektivkonzept Erft projektiert die Anpassung der Erft auf die geringeren Abflussmengen nach Wegfall der Einleitungen aus dem Tagebau auf 40 km zwischen Bergheim und Neuss in 23 Einzelprojekten bis zum ursprünglich vorgesehenen Tagebauende im Jahr 2045.

In der von der RWE Power AG neu aufgestellten Bergbauplanung (Revierkonzept) ist als Ende für den Tagebau Hambach das Jahr 2029 vorgesehen. Dementsprechend ist auch mit einem deutlich früheren Rückgang der Sümpfungswassereinleitungen in die Erft zu rechnen. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Maßnahmen des Perspektivkonzepts um bis zu 15 Jahre zu beschleunigen.

Die Kenntnis der langen Vorlaufzeiten für Planung, Genehmigung und Umsetzung von Gewässerbaumaßnahmen bedeutet, dass zahlreiche Maßnahmen mit hoher Priorität sofort angegangen werden müssen, um Schaden von den betroffenen Ökosystemen und Nutzungen abzuwenden. Das heute bestehende Gewässerbett ist für die zukünftig abfließende, natürliche Wassermenge deutlich zu groß, daher sind die umfangreichen Maßnahmen zur Umgestaltung unvermeidlich. Bevor die Sümpfungswassereinleitungen nachhaltig gedrosselt werden, ist vorrangig ein Umbau der zahlreichen Stauhaltungen erforderlich. Der künftig verminderte Abfluss führt zu einer Verlängerung der hydraulischen Aufenthaltszeiten in den Stauhaltungen.

Diese haben gravierende Auswirkungen auf die Gewässergüte und den ökologischen Zustand des Gewässers. So sind eine Erhöhung der Wassertemperatur und Eutrophierungserscheinungen zu erwarten. Hieraus resultieren sekundäre organische Belastungen (übermäßige Entwicklung des Phytoplanktons) und Sauerstoffdefizite, die insbesondere das Makrozoobenthos und die Fischfauna beeinträchtigen. Gewässertyp unspezifische Stillwasserarten, darunter auch Stechmücken, werden gefördert. Während der warmen Jahreszeit können Fischsterben und von den gestauten Abschnitten durch anaerobe Prozesse ausgehende Geruchsbelästigungen auftreten. Die negativen Auswirkunken werden insbesondere den Raum Grevenbroich betreffen, in dem die Erft auf rund 15 km Fließlänge komplett staugeregelt ist. Die Nutzung der Wasserkraft an der Erft wird nicht mehr im heutigen Maße möglich sein.

Weder auf Seiten des Erftverbandes als Vorhabenträger noch auf Seiten der Genehmigungsbehörden stehen für die erforderlichen Beschleunigungsmaßnahmen bislang ausreichende Ressourcen zur Verfügung. Daher hat der Erftverband einen Beschleunigungsterminplan 2020 – 2030 für die Umsetzung des Perspektivkonzepts aufgestellt, der die erforderlichen zusätzlichen Personalressourcen für die frühzeitige Umsetzung der Maßnahmen und weitere Zusatzkosten benennt. Der Erftverband geht davon aus, dass diese Beschleunigungskosten nicht durch seine Mitglieder zu tragen sind.

 

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